Dienstag, 29. Januar 2008

Ein paar aufgehetzte Muslime?

B. [...] An dem Tag, als die Russen offiziell die afghanische Grenze überschritten, schrieb ich an Präsident Carter: Jetzt haben wir die Möglichkeit, den Russen ihr Vietnam zu bereiten. [...]

F. Und Sie bereuen auch nicht, den islamischen Fundamentalismus unterstützt und zukünftige Terroristen mit Waffen versorgt und ausgebildet zu haben?

B. Was ist denn wichtiger für die Weltgeschichte? Die Taliban oder der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums? Ein paar aufgehetzte Muslime oder die Befreiung Mitteleuropas und das Ende des Kalten Krieges?

F. Ein paar aufgehetzte Muslime? Aber es wird doch immer behauptet, der islamische Fundamentalismus stelle heute eine globale Bedrohung dar?

B. Unsinn. Es wird behauptet, der Westen hätte eine globale Politik gegenüber dem Islam. Das ist Unsinn. Es gibt keinen globalen Islam. Sehen Sie sich den Islam vernünftig und ohne Demagogie oder Emotionen an. Mit 1,5 Mrd. Gläubigen ist er die führende Weltreligion. Aber welche Gemeinsamkeit besteht denn zwischen dem saudi-arabischen Fundamentalismus, dem gemäßigten Marokko, dem pakistanischen Militarismus, dem prowestlichen Ägypten oder dem zentralasiatischen Säkularismus? Jedenfalls keine größere als zwischen den christlichen Ländern.


Bemerkungen Zbigniew Brzezinskis (B) gegenüber der Zeitschrift Le Nouvel Observateur (F), 15.-21. Januar 1998.



Brzezinski war zwischen 1977 und 1981 Sicherheitsberater von US-Präsident Carter. In dieser Funktion befürwortete er den von Präsident Carter am 3. Juli 1979 – ein halbes Jahr vor Einmarsch der Sowjets in Afghanistan - unterzeichneten Erlass zur geheimen Unterstützung der Mudschaheddin mit Waffen. Damit sollten die Sowjets zu einer Intervention provoziert werden, die sie schwächen und den Zerfall des Ostblocks beschleunigen sollte. Das letztendliche Motiv für sein Interesse an Afghanistan lag jedoch in seiner Annahme, dass sich der zentralasiatische Raum „zu einem ökonomischen Filetstück entwickeln könnte, konzentrieren sich in dieser Region doch ungeheure Erdgas- und Erdölvorkommen, von wichtigen Mineralien einschließlich Gold ganz zu zu schweigen.“ (Brzezinski, Die einzige Weltmacht, zitiert nach Peter Dale Scott, Die Drogen, das Öl und der Krieg, S. 53)

Montag, 28. Januar 2008

Peinliche Wahl in Hessen

Dem Auszählungsstand von Mitternacht zufolge hat die CDU unter Roland Koch Superstar knapp die Mehrheit im hessischen Landtag erzielt. Glückwunsch nach Hessen. Ich hoffe, die Mehrheit bekommt, was sie gewählt und sich damit verdient hat.

Für mich zeigt sich damit, dass die Rechnung von Roland Koch aufgegangen ist: Es ist egal, wie und womit, Hauptsache, ein Politiker macht die Medien auf sich aufmerksam, bringt sich bei den Wählern ins Gespräch. Womit, scheint selbst die Wähler nicht sehr zu kümmern.

Es sei denn, Roland Koch hätte in mehr als einer Hinsicht recht. Und es wäre mittlerweile mehrheitsfähig, ja normal, Minderheiten heraus zu picken und sie zu Sündenböcken für die Fehler Anderer zu machen. Warum auch nicht. Das hat hierzulande ja Tradition.

Ich hoffe, er und seine Wähler schlafen gut damit.

Freitag, 25. Januar 2008

Kampfeinsatz im Frühjahr

Jetzt ist es also so weit: Auch deutsche Soldaten dürfen sich demnächst für amerikanische Wirtschaftsinteressen tot schießen lassen1,2. Was zählt auch das Leben eines Menschen, wenn es darum geht, Pipelines durch Afghanistan zu bauen und dafür eine der US-Regierung und der Firma Unocal genehme Person an der Spitze der Regierung zu halten?


Aber dass uns etwas derartiges erwartet, war wohl nach dem Besuch unser Frau Kanzlerin bei US-Präsident Bush und ihrer gemeinsamen Pressekonferenz im November 2007 zu erwarten. Tut ja auch not, dass wir, nachdem wir uns schon vor dem Irak-Krieg gedrückt haben, wenigstens jetzt diejenigen unterstützen, „die sich in Afghanistan und weltweit für demokratische Rechte und für eine internationale rechtsstaatliche Ordnung einsetzen.“


Honi soit qui mal y pense.


Dass Kampfeinsätze tatsächlich zu einer Stabilisierung der politischen und sozialen Verhältnisse in Afghanistan führen, ist jedoch eher zweifelhaft.


1 http://www.netzeitung.de/deutschland/886052.html
2
http://www.wz-newsline.de/?redid=216&ID=726815

Donnerstag, 24. Januar 2008

"Spitzenleistung auf höchsten ethischen Niveau"

soll der Siemens-Vorstandsvorsitzende Peter Löscher auf der Aktionärsversammlung in München versprochen haben, und "ein sauberes Geschäft immer und überall".

Da müssen die Führungskräfte in seinem Unternehmen aber noch ein bisschen üben, oder?

Ich empfehle zur Klärung des derzeit aktuellen Problems diesen Link. Bitte das Thema "Was ist Schmiergeld?" anklicken.

Danke.

Montag, 21. Januar 2008

Mit offenen Karten - Afghanistan

"Die Geschichte Afghanistans erklärt sich weitgehend aus seiner geographischen Lage. Es bildet den östlichen Teil der Hochebene, die man als Hochland von Iran bezeichnet, und wird durch den westlichen Flügel der gekrümmten Hochgebirgskette, die den indischen Subkontinent vor den räuberischen Steppenbewohnern Zentralasiens schützte, in zwei Teile zerschnitten. Nur in Afghanistan sind diese Gebirgszüge für Heere passierbar, so daß nach Indien gerichtete Invasionen entweder diesen Weg nehmen oder ihre Westflanke umgingen." (G.E. von Grunebaum)


Heutzutage liegt Afghanistan auf dem Weg diverser projektierter Pipelines, was die Geschichte des Landes nicht weniger farbig gestaltet wie zu früheren Zeiten (siehe u.a. Uni Kassel 1; Journal für Antimilitarismus; zu Hamid Karzai)


Trotzden noch einige Geschichten aus der Geschichte:

  • Als Ende des 19. Jahrhundert Russland Richtung Osten expandierte, sah das Britische Empire seine Interessen in Indien bedroht. Britische Strategen tüftelten daher den Plan aus, eine britische Marionette auf den afghanischen Thron zu setzen und auf diese Weise Afghanistan in eine verlässliche Festung zum Schutz der Kolonie Indien zu verwandeln. Zu diesem Zweck führten die Briten zwei Kriege, von denen erst der zweite für sie erfolgreich verlief. Der Emir, der nach ihrem Rückzug Herrscher von Afghanistan wurde - 'Abdurraman Han - erklärte sich nämlich bereit, Großbritannien die Kontrolle über die afghanische Außenpolitik zu überlassen. Für Afghanistan war diese Entscheidung eine Katastrophe, bedeutete sie doch eine selbst auferlegte Isolierung von der übrigen Welt, die, zusammen mit dem (erst!) damals erstarkenden religiösen Fanatismus, dass das Land für 50 Jahre vom Fortschritt ausschloss. Nicht weniger gravierend war, dass dieser Emir das sogenannte Durand-Abkommen von 1893 unterzeichnete. Mit diesem Abkommen wurde nämlich ein Teil des Südostens Afghanistans samt seiner Bevölkerung Indien zugeschlagen. Dieser ehemalige Teil Afghanistans wiederum wurde 1947 Teil Pakistans. Daraus erklärt sich, warum ein Teil der Bevölkerung Pakistans Paschtunen/Pathanen/Afghanen sind. Sie bewohnen hauptsächlich die Nordwestprovinz, die Stammesgebiete sowie einen Teil Belutschistans. In Belutschistan liegt übrigens auch die Stadt Quetta (hauptsächlich nach G.E. von Grunebaum).
  • Die USA haben die Gruppierungen, die sie heute in Afghanistan bekämpfen (Al-Quaida, die Taliban) zu anderen Zeiten unterstützt, wenn nicht überhaupt erst groß gemacht. Erst als sich erwies, dass diese Gruppen nicht (mehr) den Interessen der USA dienen wollten, wurden sie zu "Feinden" (siehe u.a. Taliban FESt; Taliban 1; Taliban 2; Al-Kaida).
Einige der Probleme, für die heute die Staatengemeinschaft gerade stehen soll, wurden also von Kolonialherren und Großmächten verursacht bzw. gefördert. Wobei sie natürlich ausschließlich ihren eigenen Interessen gedient haben bzw. dienen. Es ist zweifelhaft, dass das bei einem weiteren Eingreifen dort anders sein wird.

Freitag, 18. Januar 2008

Der Zweck von Geheimsprachen

So schreibt etwa [..] Richard Rorty, philosophische Probleme seien nichts weiter als "unser Vermögen, ein gewisses technisches Vokabular zu beherrschen, das außerhalb des Wirkungskreises von Philosophiebüchern keinerlei Verwendung findet und mit keinen Problemen des täglichen Lebens, der empirischen Wissenschaften oder der Religion in Kontakt steht." [...]

Kennen wir vor Platon Fragen nach dem, was zu tun richtig sei, wie ein Gemeinwesen verfaßt sein solle, ob dieses oder jenes Kunstwerk aus welchen Gründen viel oder wenig tauge, so wird mit Platon das Fragen (selbst)* philosophisch [...] (Eine)* Kritik an dieser Art zu fragen ist, dass man mit ihr nichts über die Welt herausbekommt. Mehr noch: es handele sich dabei – bei der Disziplin „Philosophie“ - um nichts weiter als um eine bestimmte Sprechweise, die nur dazu tauge, Probleme zu erfinden, die wir nicht hätten, wenn es diese Sprechweise nicht gäbe [...] (;)* dass es dort, wo das philosophische Denken einsetzt und sich mit selbstgemachten Problemen umtreibt, nichts zu fragen gibt, ferner dass sich sich dabei meist um eine Methode handelt, die interessanten Fragen, um die man sich mit Gewinn streiten könnte, zu umgehen. [...]

Ein Problem, das man erst verstehen kann, wenn man eine spezifische Sprache erlernt, weil es nur in ihr vorhanden ist, diene dazu, den gesellschaftlichen Dialog zu zerstören.


aus Jan Philipp Reemtsmas Interpretation von Wielands Aristipp in diesem Buch
(kursiv gesetzte Einfügungen von mir)


Und nun ersetzen Sie bitte:


philosophisch -----> politisch
Philosophie --------> Politik
Platon --------------> der Deutung von Ereignissen durch Politiker


Donnerstag, 17. Januar 2008

Wir sind Alaaf

Of all Animals of Prey, Man is the only sociable one.

Every one of us preys upon his Neighbour,

and yet we herd together.


John Gay, Beggar's Opera

Dienstag, 15. Januar 2008

Roland Koch Superstar

Wer wissen will, worum es Roland Koch geht, braucht nur einen Blick in den Kalender zu werfen:
Wir haben jetzt Mitte Januar 2008.
Die Hessenwahl ist am 27. Januar 2008.
Was tut also Roland Koch? Er bringt sich ins Gespräch.
Die Inhalte, die er dafür benutzt, sind weitgehend irrelevant.

Er macht das nicht zum ersten Mal. Schon vor den Hessenwahlen 1999 und 2003 hat er sich mit kontroversen Vorschlägen ins Gespräch gebracht. Auch diese stammten großenteils aus den USA. Und auch damals ist er bei dem, was er nicht durchbringen konnte, zurück gerudert. Warum auch nicht: Er hatte sein Ziel erreicht, nämlich sich nachdrücklich ins Bewusstsein der Wähler zu bringen. Roland Koch weiß, dass dies das einzige ist, worauf es bei Politikern ankommt.

Politiker sind nämlich – auch wenn sich einige von ihnen immer noch Exekutive nennen – keineswegs mehr politisch Handelnde. Sie sind Medienstars. Und genau wie bei anderen Medienstars kommt es auch bei ihnen in erster Linie darauf an, das Publikum für sich zu interessieren, im Gespräch zu sein. Dabei ist es durchaus gängige Praxis, sich auf Kosten derjenigen zu profilieren, die sich am wenigsten wehren können: Hartz IV-Empfänger, Zuwanderer, Kinder. Politiker können das. Denn anders als Schauspieler oder Sänger müssen sie dem Publikum nicht glaubhaft machen, sie wären „in Wahrheit“ lieb und nett. In der Politik ist der gesichtslose Bürokrat, der „zum Nutzen der Wirtschaft“/“des Landes“ (d.h. seiner Lobby) mit dem Taschenrechner in der Hand über menschliche Ameisen hinweg trampelt, ein Erfolgsmodell.

Politiker wie Roland Koch sind mit ihren Manipulationen erfolgreich, weil sie an menschliche Instinkte appellieren: Angst und Aggression. Wenn Angst und Aggressionen angesprochen werden, verlagern sich Entscheidungen vom Kopf in den Bauch. Und was – für einen Politiker – noch schöner ist: Mit ihrer Hilfe lassen sich ausgerechnet die Opfer jahrzehntelanger Sparpolitik zu Sündenböcken machen.

Dass das Unsinn ist, weiß Roland Koch hoffentlich selbst. Aber darauf kommt es nicht an. Es geht darum, eine Rolle zu spielen. Sich ins Gespräch zu bringen, um Wählerstimmen zu fangen. Aber auch, politisches Handeln darzustellen, um die eigene Existenz zu rechtfertigen. Ob dieses „Handeln“ ins Leere läuft, und das bei einiger Überlegung auch vorhersehbar ist, spielt keine Rolle. Politiker sind schließlich Medienstars. Wenn sie eines wissen, dann dies: Das Gedächtnis der Wähler ist kurz.


P.S. weitere Aspekte gibt's hier: Nicht mehr ganz taufrisch, aber immer noch interessant.

Sonntag, 13. Januar 2008

TE wie "terrorismus"

mit einem überraschungsschlag
nahmen bundesanwaltschaft
bundeskriminalamt
landeskriminalämter
und einheiten des bundesgrenzschutzes
47000 tankwarte
698 putzwollehersteller
und alle importeure
von chiantiflaschen fest

es gelang
die totale und bundesweite
aktion gegen alle hersteller
und verteiler der zutaten
für die berüchtigten
molotow-cocktails [...]

die sistierten
befinden sich im parkstadion
zu gelsenkirchen
den protesten der autofahrer
chiantitrinker und maschinenindustrie
sieht der general-
bundesanwalt gelassen
entgegen

Peter Paul Zahl

Opium fürs Volk

Die fortdauernde Kraft der Religion in der modernen Welt ist einer aufschlussreichsten Aspekte dieses Jahrhunderts. [...] Die Mitglieder des Ku-Klux-Clan in den Vereinigten Staaten stehen alle fest im christlichen Glauben. Ihr Symbol ist immerhin ein brennendes Kreuz, und sie beten, bevor sie ausziehen, um zu lynchen. Die protestantisch-katholische Spaltung in Irland, ursprünglich nach Kräften von Londen gefördert, ist für zahlreiche britische Regierungen zu einem ihrer Hauptprobleme geworden. [...]

Das Überleben der Religion aus Welten, die in ihren anderen Aspekten längst verschwunden sind, muss eine Antwort auf ein tief empfundenes psychologisches Bedürfnis sein. Die Religion muss ein Identitätsgefühl in einer Welt vermitteln, die ansonsten die Atomisierung der individuellen Existenz befördert. Für Marx war sie nicht allein "Opium des Volkes", sondern gleichermaßen "das Gemüt einer herzlosen Welt, der Geist geistloser Zustände". Sie schuf ein Gefühl der Kollektivität und Solidarität gegen eine feindlichen Welt. Derartige Gefühle sind blind. Einmal erweckt, bedeuten sie den Tod rationalen Verhaltens und Denkens.



Tariq Ali, Die Nehrus und die Gandhis. Eine indische Dynastie

Freitag, 11. Januar 2008

Journalisten und Privatblogs

Btw: Anscheinend geistert in den Köpfen mancher Leute die Vorstellung von in ihrer Freizeit bloggenden Journalisten herum. Also von Journalisten, die sich einerseits als solche offen zu erkennen geben, und andererseits im Internet in Blogs ihre "ganz persönliche" Meinung zum besten geben.

Nun, so was mag es geben. Fragt sich, wie häufig. Die meisten von uns sind nicht scharf darauf, auch noch ihre Freizeit mit ihrer Arbeit zu verbringen. Warum sollte das bei Journalisten anders sein? Darüber hinaus sollen selbst Journalisten Familien und ein Leben jenseits der Medienwelt haben. Wann und warum sollten sie also bloggen?

Ein mögliches Szenario wäre, dass ein freiberuflicher Journalist mit einem Blog potenzielle Auftraggeber für sich interessieren will. Dafür würde es sich lohnen, sowohl Freizeit zu opfern als auch Zeit und Arbeit zu investieren. Wenn besagter Journalist nämlich viele Leser auf sein Blog zieht, kann er damit rechnen, neben Werbe- auch Angebote von Zeitungen zu bekommen. Die Frage dabei ist, ob eine Zeitung ihm anbieten würde, auf ihrer Site zu schreiben, oder ob sie nicht eher Aufträge für Artikel in seinem bereits erfolgreichen Blog vergeben würde. Auf diese Weise könnte die Zeitung den Blog ohne Risiko für sich nutzen. Wenn das gut klappt - d.h. ohne dass die Leser weg bleiben -, kann sie den Blog auch kaufen oder den Journalisten auf einer Art Projektstelle oder fest anstellen.

So weit das Szenario.

Dabei fällt auf, dass der "in seiner Freizeit bloggende" Journalist von Anfang an genau nicht seine private Meinung zum besten gibt. Er schreibt vielmehr anfangs so, dass er einerseits viele Leser, andererseits eine Zielgruppe von potenziellen Auftraggebern für sich interessiert. Dabei kann man zwar auch seine Meinung einbringen. Aber wichtiger als diese ist eine zielgruppengerechte Themenauswahl und Art zu schreiben sowie Engagement in den Social Networks der Blogosphäre. Sonst wäre diese Art des Kundenfangs wenig erfolgreich. Später, wenn er dafür Geld von Auftrag- oder Arbeitgebern bekommt, schreibt der Journalist natürlich auch nicht, was er sich privat vielleicht denken mag. Es sei denn, er denkt brav das, was seine Geldgeber von ihm erwarten. In allen anderen Fällen gilt die Devise, die meine Oma einmal so beschrieben hat: "Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'." Ins Neudeutsche übertragen bedeutet das, er tut, wofür er bezahlt wird: Artikel schreiben, die inhaltlich und formal zu den übrigen Publikationen des Geldgebers und zu seiner Zielgruppe passen.

Ein Journalist schreibt, wenn man diesem Szenario folgt, nur in Ausnahmefällen einen Privatblog in dem Sinne, dass er lediglich seine private Meinung zum Ausdruck bringen möchte, und nichts sonst. In der Regel - und vor allem, wenn er dafür bezahlt wird - schreibt er Auftragsarbeiten oder führt einen nicht offen als solches gekennzeichneten Ableger seines Geldgebers.

Das kann er übrigens im Einzelfall durchaus kompetent und erfolgreich tun. Man sollte sich allerdings nicht vormachen, das Ergebnis wäre etwas anderes als irgend eine andere Mediensite.

Dienstag, 8. Januar 2008

Feinstaub Feinstaub Feinstaub

Kaum ist das neue Jahr da, da haben wir auch schon eine Feinstaub Feinstaub Feinstaub-Hype. Wie schön, dass Vollblutjournalisten wie die von Stern.de und FR-Online sich so qualifiziert dazu äußern.

Der Hintergrund: Mit 1. Januar 2008 haben Berlin, Hannover und Köln so genannte Umweltzonen eingeführt - und verlangen von Jedem, der dort hinein fahren will oder muss, den Nachweis einer Erlaubnis in Form einer kostenpflichtigen Plakette. Die Idee dabei soll sein, dass man umwelt-unfreundliche Fahrzeuge aus den Städten heraus halten und so die Feinstaubbelastung verringern will.

Das klingt beim ersten Hören ganz vernünftig. Es würde noch länger vernünftig klingen, gäbe es nicht alle möglichen Ausnahmeregelungen: In Köln z.B. für Anwohner, Gewerbetreibende mit Sitz in der Umweltzone, Lieferfahrzeuge, ausländische Fahrzeuge (z.B. Reisebusse), Oldtimer, Trecker, Wohnmobile, Motorräder oder für "Fahrten zur Wahrnehmung überwiegender oder unaufschiebbarer Einzelinteressen" (Infos dazu hier).

Ich muss gestehen, mir leuchtet nicht so ganz ein, was daran umweltfreundlich sein soll, wenn ein alter, aber noch mit gültiger TÜV-Plakette versehener PKW nicht mehr fahren darf - wohl aber ein alter stinkender Reisebus mit "Tagesgenehmigung". Von den Traktoren, die die Karnevalswagen ziehen, und von deren Abgasen einem übel werden kann, einmal ganz zu schweigen. Kommt es nur mir so vor, als ginge es hier weniger um die Umwelt als darum, die Pendler auszunehmen?

Anscheinend bin ich nicht allein mit meinen Zweifeln an dem Sinn dieser "Umweltzonen". Auch der ADAC meldet solche an. Leider erfährt man dazu in den beiden oben erwähnten Online-Artikeln so gut wie nichts. Der Journalist bei Stern.de schafft es, drei garantiert aussagenfreie Zitate zu präsentieren - dafür findet man unten neben dem Artikel einen Hinweis auf einen Artikel "Umweltzonen - drei Farben für gesunde Luft". Man merkt: Bei Stern.de ist man über die Details gut informiert. FR-online präsentiert nur wenig mehr. Aber so gut, wie wir verschlagwortet sind, wozu brauchen wir da noch Informationen...

Worum es dem ADAC geht, erfährt man übrigens hier.

Montag, 7. Januar 2008

Samstag, 5. Januar 2008

Kampf der Kulturen - die Legende

Es ist schon erstaunlich, wie manche Redewendungen kleben bleiben. Wie Kaugummi unter der Schuhsohle werden sie überall mit hin geschleppt und tauchen an den seltsamsten Stellen wieder auf. Ich bin mir nicht sicher, ob ich bei diesem Phänomen die zunehmende Verschlagwortung in unserer Art, Informationen zu verarbeiten, bedauern soll1. Oder ob ich – widerwillig - die Berechnung bewundern soll, mit der Demagogen solche Begriffe prägen und verwenden.


Gibt es einen "Kampf der Kulturen"? Wenn man der Frankfurter Allgemeinen Zeitung glauben will, dann waren im Mai 2006 „56 Prozent der Deutschen“ der Auffassung, „die Gesellschaft stehe bereits jetzt in einer solchen Auseinandersetzung“2


Aber was ist diese Aussage wert? Die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angegebene Zahl soll zwar aus einer Befragung durch das „Institut für Demoskopie Allensbach“ stammen. Frei verfügbare Berichte über diese Studie liegen aber nur von Journalisten vor – die mit statistischen Daten oft recht großzügig umgehen, besonders was die Interpretation betrifft. Um an die Original-Studie heran zu kommen, ohne die sinnvolle Aussagen über Erhebungsverfahren und Ergebnisse nicht möglich sind, müsste man den Allensbachern erst einmal 22 Euro zahlen3. Man merkt: Die wissen, wie man Geld macht.


Wir haben hier also eine Zahl aus einer Studie, die nicht frei eingesehen werden kann. Berichtet wird darüber auf den Internet-Seiten von Sendern und Zeitungen; also im Regelfall nicht gerade von Zahlenexperten. Eine dieser Zeitungen – die Frankfurter Allgemeine Zeitung – war zudem der Auftraggeber der Studie. Das „Institut für Demoskopie Allensbach“ hat die Befragung also nicht „nur so“, aus Forschungsinteresse, durchgeführt, sondern als Auftragnehmer der FAZ.


Selbst wenn ich bereit wäre, zu glauben, dass ein Auftragsforschungsinstitut wissenschaftliche Objektivität über das Interesse an weiteren Aufträgen stellt – sprich: es riskieren würde, einen Auftraggeber durch womöglich unliebsame Ergebnisse zu verärgern – (und das weiß ich besser), würde ich die entsprechenden Studien mit Vorsicht betrachten. Besonders, wenn der Auftraggeber darüber berichtet.


Und: Keinesfalls würde ich Zahlen als Ergebnisse des – immerhin renommierten – Forschungsinstituts präsentieren und dann auf die Internetseite eines Senders verweisen, von wo aus dann wiederum (ohne Link) auf die Studie als Quelle verwiesen wird4, liebe Wikipedia.


Aber davon einmal abgesehen: Was besagt so eine Zahl? Zunächst einmal nur, dass 56% einer im Mai 2006 befragten Gruppe von Leuten einer bestimmten Aussage zugestimmt hat. Betrachten wir das mal als Meinung. Nun sind Meinungen nicht wie die Augenfarbe. Die Augenfarbe ist ein relativ unveränderliches Merkmal. Meinungen hingegen ändern sich ständig. Wenn also im Mai 2006 56% einer Gruppe von Leuten einer Aussage zugestimmt haben, sagt das nichts über ihre Meinung im Juni, Juli oder August aus5. Bei Licht betrachtet, habe ich mit dieser Zahl also nur eine Momentaufnahme. Nicht sehr beeindruckend.


Beeindruckend ist vielmehr, wie Zahlen von Medien benutzt werden, um einen Konflikt zu konstruieren – und zwar nicht nur der „Kulturen“ im Sinne von Huntington, sondern auch einen sozialen Konflikt hier bei uns. Ist es wirklich nötig, über den Umweg von Umfrageergebnissen Überlegungen anzustellen, ob man die Religionsausübung von Muslimen in Deutschland einschränken sollte?6 Wem ist damit gedient? Das Zusammenleben verschiedener religiöser Gruppierungen ist sicherlich nicht immer konfliktfrei. Wer wüsste das besser als die Bewohner Mitteleuropas, wo während des 30jährigen Krieges ein großer Teil der Bevölkerung ausgerottet wurde. Oder die Bewohner Deutschlands, von wo aus Mitte des 20. Jahrhunderts eine religiöse Minorität beinahe ausgerottet worden wäre.


Die Frage ist, ob wir noch einmal in diese Richtung wollen.


1 Tatsächlich ist dieses Phänomen genau so neu und unbekannt wie Propaganda; man kann also darüber streiten, ob hier tatsächlich etwas zunimmt oder ob Schlagworte „nur“ etwas bereits Bestehendes ökonomischer machen.
2 FAZ
3
Allensbach
4 Wikipedia
5
Fairerweise sollte ich erwähnen, dass auch die FAZ auf derartige Variationen eingeht
6 FAZ

Freitag, 4. Januar 2008

Imperialistisches Märchen

Es war einmal eine Königin, die hatte von ihrem Vater einen großen Namen und ein großes Reich geerbt. Ihr Vater, der alte König, hatte zwar in seinem Leben nicht alles erreicht, was er sich als junger Prinz erträumt hatte. Aber es war ihm gelungen, mit seinen Freunden fremde Besatzer aus seinem Land zu vertreiben und es von wirtschaftlicher und politischer Neubesetzung frei zu halten. Das war um so bemerkenswerter, als die Welt seiner Zeit von dem Konflikt zweier Ideologien, dem „Kalten Krieg“, geprägt wurde. Nur wenige Herrscher verstanden es wie der alte König, mit Herrschern beider Ideologien Freundschaft zu halten, ohne sich in deren Konflikt hinein ziehen zu lassen.


All dies erbte nun seine Tochter, die Königin – und einen Haufen Probleme. Denn zu den Träumen, die ihr Vater nicht hatte realisieren können, gehörte eine gerechte Verteilung des Reichtums im Land, und als es in einem Jahr eine Dürre gab, drohte den Bauern zweier Provinzen der Hungertod. Die junge Königin beschloss, dass ihr Land ausländische Hilfe brauchte, ausländische Investitionen. Sie machte sich daher auf, das Imperium am Ende der Welt zu besuchen. Sie wollte den dortigen Herrscher um Hilfe bitten.


Das Imperium am Ende der Welt hatte zu jener Zeit von einen Herrscher namens Johnson. Dieser war kein besonders fähiger Herrscher und sein noch junges Reich wurde nur von dem Nimbus seines Regierungssitzes, der Reichsfahne und dem „Kalten Krieg“ zusammen gehalten. Aber er wusste, wann er am längeren Hebel saß. Und so versprach er der Königin zwar Weizen und andere Hilfeleistungen - presste ihr aber als Gegenleistung zahlreiche Zugeständnisse ab. Vor allen Dingen verlangte er von ihr, dass sie die Wirtschaft ihres Reiches für Firmen seines Landes öffnen solle. Darüber hinaus wollte er, dass sie den Krieg, den sein Reich gerade gegen einen Zwergstaat im Osten führte, unterstützte. Die Königin lächelte mit ihm zusammen in die Kameras – und sagte zu.


Als sie aber in ihr Reich zurück gekehrt war, machten ihr ihre Berater schwere Vorwürfe. Sie hätte die Wirtschaft ihres Land erneut den Fremden ausgeliefert, sagten sie. Sie sei von der Neutralitäts-Politik ihres Vaters abgerückt, indem sie den Krieg des Imperiums gegen den Zwergstaat im Osten nicht rügte, sagten sie. Die Königin war verletzt und versuchte zunächst, ihr Handeln zu verteidigen. Aber sie war noch nicht so lange Königin, dass sie glaubte, unfehlbar zu sein. So ließ sie sich schließlich überzeugen; und als sie auf Besuch in einem benachbarten Großreich war, unterzeichnete sie zusammen mit dem dortigen König eine Verurteilung des Krieges gegen den Zwergstaat im Osten.


Der Herrscher des Imperiums am Ende der Welt war darüber sehr erbost. Obwohl sein Botschafter im Reich der Königin ihm abriet, gab er gleich den Auftrag, die Hilfslieferungen zu drosseln. Dies aber bestätigte die Berater der Königin nur in dem, was sie bereits vermutet hatten: Dass das Imperium am Ende der Welt nur dann Hilfe gewährt, wenn es dafür viel mehr bekommt.


Der Botschafter des Imperiums aber sollte das sozusagen aus erster Hand erfahren. Als er einen hohen Imperiums-Beamten darauf hinwies, dass die Königin in ihrer Verurteilung des Krieges nur das wiederholt hatte, was bereits der oberste Guru in Rom sowie der Sprecher der Völkergemeinschaft erklärt hatten, antwortete man ihm zynisch, dass der Guru und der Sprecher schließlich „unseren Weizen nicht brauchen“.



Quelle des Sachverhalts: Die Nehrus und die Gandhis. Eine indische Dynastie



P.S. Die Königin ist nicht zurück gerudert.


Schnee von gestern

Einstmals kämpften tapfere kleine Klabusterbärchen um das Verständnis des Unterschiedes zwischen einer Behauptung und einem Argument. Vergeblich. Heute findet man sie nicht einmal mehr im Lexikon. Schicken wir also dahin zurück, wo sie hin gehören: In den Schnee von gestern. Oder besser noch den vom letzten Jahr.

Dienstag, 1. Januar 2008

Klabusterbärchen Clash of the Cultures

Manche 'Konflikte neigen dazu, partikularistisch insofern zu sein, da es in ihnen nicht um übergreifende ideologische oder politische Streitfragen geht, die für Nichtbeteiligte von direktem Interesse wären.' Sie werden vielmehr 'um fundamentale Fragen der Gruppenidentität und Gruppenmacht geführt'.


Das heißt, eine Gruppe von Personen - wie die Redakteure des Online „Satire“-Magazins „Klabusterbeere“ - verteidigt ihre Identität als Gruppe und/oder die Macht, die sie einfach durch ihre Anzahl gegen Einzelne ausüben kann gegen „Angriffe“ von außen. Art und Ausmaß des „Angriffs“ sind dabei ohne Bedeutung; es reicht, wenn der „Angreifer“ erkennen lässt, dass er mit der Gruppe nicht übereinstimmt. Eine solche Äußerung kann nicht als Meinung akzeptiert und behandelt werden, die Gruppe fasst sie vielmehr direkt als Attacke auf die Gruppenidentität bzw. -macht auf.


Darum werden auch 'die ursprünglichen Streitfragen im Sinne eines „Wir gegen sie“ umdefiniert': Auf diese Weise wird die Wahrnehmung der Gruppe, angegriffen zu werden, in eine griffige Formel umgesetzt. Gleichzeitig kann man auf diese Weise gruppeninterne Zweifel und Konflikte nach außen, auf den „Feind“, ableiten: 'Zusammenhalt und Engagement der Gruppe nehmen zu'. Der „Feind“ dient gleichermaßen als Ursache für die Fokussierung der Gruppenidentität wie als Ableitungsziel der – auch gruppeninternen – Aggression.


'Weil fundamentale Fragen der Identität auf dem Spiel stehen', neigen diese Konflikte 'dazu, brutal und blutig zu sein [...] Auch neigen sie dazu, langwierig zu sein'. Es sind 'Wechselbäder; ein Ausbruch massiver fäkalsprachlicher Gewalttätigkeit kann zu [...] mürrischer Feindseligkeit verflackern, nur um danach erneut wieder aufzuflammen.' Das macht 'es schwer, sie durch Verhandlungen und Kompromisse beizulegen'. Verhandlungen und Kompromisse setzen voraus, dass man sich mit der Position des Anderen auseinander setzt. Davon kann nicht die Rede sein, wenn die „um ihre Identität kämpfende“ Gruppe den „Feind“ abwechselnd beschimpft und sich auf ihre „Freiheit“ beruft. Vielmehr wird durch diese Jigsaw-Technik eine Auseinandersetzung gerade vermieden; die Gruppe will sich nicht auseinander setzen. Es geht nur darum, zu gewinnen, egal wie.


Denn es geht um 'Kontrolle über Menschen': Die der Redaktions-Gruppe wie die des „Klabusterbeere“-Forums. Und das ist es doch wert, 'den Unterschied zwischen den Mächten des Bösen und den Mächten des Guten' (wobei letztere aus Sicht der „Klabusterbeere“-Redaktion mit ihrer Gruppe identisch sind) zu vergrößern und dramatisieren – bis zu dem Punkt, an dem man 'aus diesem Unterschied den definitiven Unterschied zwischen den Lebendigen und den Toten zu machen' droht, oder?


Für mich ist das Ausmaß an Kreativität erstaunlich, das die „Klabusterbeere“-Redaktion darauf verschwendet, unter verschiedenen erfundenen Namen Kommentare zu schreiben und von diversen Webseiten aus Links auf die Site meines Freundes Ray zu legen. Was wohl wäre, wenn sie diese Kreativität auf Sinnvolleres verwenden würden? Womöglich wäre die „Klabusterbeere“ dann das, was sie der Behauptung ihrer Redaktion nach sein soll: Komisch.


Ach ja, alle mit einfachen Anführungszeichen (') gekennzeichneten Zitate stammen übrigens aus diesem Buch, S. 410-455. Es ist ein lausiges Buch; aber dazu später mehr. Sämtliche Auslassungen, die kursiv gesetzte Einfügung sowie der übrige Text von mir.