Mittwoch, 6. August 2008

Celebophilia

(von engl. celebophile) Wer denkt, die (an Besessenheit grenzende) Verehrung von allseits bekannten bzw. berühmten Personen (Celebrities) sei etwas Neues, Cooles, befindet sich auf dem Holzweg. Schon meine Oma war ein Fan. Wahrscheinlich ist Jedermanns Oma ein Fan. Man sehe sich nur einmal die Zeitschriften-Auslagen im Supermarkt an: Dort finden sich immer noch die Blätter, die bereits meine Oma abonniert hatte, um immer auf dem neuesten Stand über Ex-Kaiserin Soraya und alle möglichen anderen Ex-Könige, Adligen und Heimatfilmstars zu sein. Ich nenne sie noch heute „Königinnenzeitungen“ und denke „Soraya“, wenn ich eine davon sehe. Aber die moderneren Boulevardblätter und Fernsehzeitungen haben - abgesehen vom TV-Programm - auch keinen wesentlich anderen Inhalt. Ihr Styling wurde nur, ebenso wie die Personengruppe, deren „Leben“ ihren Inhalt bildet, zielgruppengerecht aktualisiert. Offensichtlich reicht das völlig aus, damit der selbe alte Schmus immer noch Käufer findet. Die Frage ist: wieso eigentlich?

Ein Teil der Gründe, warum Celebrities interessant sind, ist verhältnismäßig einfach nachzuvollziehen: Adels und andere Berühmtheiten laufend zu beobachten und pflichtschuldigst zu jubeln, wenn sie ihre überteuerten Klamotten und Fahrzeuge vorführen, ist seit Jahrhunderten Pflichtprogramm des einfachen Fußvolks. Es war für lange Zeit auch überlebensnotwendig, denn wenn ein Normalsterblicher es an Respekt gegenüber der Obrigkeit fehlen ließ, drohten ihm zum Teil drastische Strafen. Könige wie der Alte Fritz sollen sich der Legende nach sogar persönlich darum gekümmert haben. Sich beim Pöbel per Jubel-o-meter die Bestätigung der eigenen Bedeutung abzuholen, war also Chefsache, keine Privatangelegenheit oder gar Marketing-Aktion á la: „Kauft diese neuen, superteuren Klamotten/Autos!“ Es war vielmehr eine symbolische Macht-Demonstration der herrschenden Kreise, und diese erwarteten im Gegenzug von den Beherrschten Signale der Unterwerfung und Billigung. Auch wenn diese Bedeutung bei human pseudo-events wie Berufs-Adligen, TV Stars, Sarah und Marc, Gülcan und Kamps usw. keine Rolle mehr spielt: Von der Choreografie aus Selbstdarstellung und Jubel profitieren sie immer noch. Und lasse sich keiner vormachen, sie würden es nicht genießen. Wer eitel genug ist, sich um den Beifall der Öffentlichkeit zu bewerben, ist auch eitel genug, ihn entgegen zu nehmen.

Was ich weit schwerer zu verstehen finde, ist das Mitgefühl, das diesen Leuten entgegen gebracht wird, wenn sie Probleme haben. Hat nicht jeder mal Probleme? Warum sollten die von diesen Leuten schwerer wiegen als z.B. die der Nachbarn? Aber wenn man hörte, wie Oma die „arme Soraya“ oder die „arme Sonja Ziemann“ für ihr „schweres Schicksal“ bedauerte, hätte man meinen können, die Frau Ex-Kaiserin und die Frau Ex-Heimatfilmschauspielerin wären die einzigen auf der Welt, denen es jemals schlecht gegangen ist. Und noch heute ist in der Berichterstattung über die Eheprobleme von Adels und Fernsehprominenten wenig darüber die Rede, was sie selbst dazu beigetragen haben. Fast so als würde Prominenz einen Menschen von aller Verantwortung für sein Leben und seine Taten frei sprechen.

Dieser Auffassung scheint auch Ms. Poo(th) zu sein, eine meiner Lieblinge unter den human pseudo-events. Letztens konnte man in einem TV-Beitrag bewundern, wie sie mit Boris Becker – wahrscheinlich dem einzigen Menschen, der angesichts des Wortmülls, den sie von sich gibt, keine Kopfschmerzen bekommt – in einer offenen Kutsche herum fuhr. Der Inhalt des Beitrags sollte wohl darin bestehen, dass der Zuschauer ihr zusammen mit Becker dabei zuhört, wie sie ihr Recht auf Fortführung des gewohnten Luxuslebens einklagt. Dass ihr Göttergatte einen Haufen Leute um ihr Geld gebracht hat und es ein Zeichen von Respekt vor deren Gefühlen wäre, wenigstens eine Zeitlang Zurückhaltung zu zeigen, geht offenbar über ihren Horizont. Oder es ist ihr – was ich für wahrscheinlicher halte – scheißegal.

Auch hier also nichts Neues, Cooles. Nur die Einstellung von Leuten, die nicht nur selbst an ihr öffentliches Bild glauben, sondern auch meinen, dass ihnen aufgrund dessen eine Sonderbehandlung zusteht. Ich würde sagen, wer das verehrungs-würdig findet, hat selbst schuld.

P.S.
„Our age has produced a new kind of eminence. … He is the human pseudo-event … a substitute for the hero who is the celebrity and whose main characteristic is well-knownness … anyone can become a celebrity if only he can get into the news and stay there. … The hero was distinguished by his achievement; the celebrity by his image or trademark."

Daniel J. Boorstin

2 Kommentare:

Ray Gratzner hat gesagt…

Liebe große Vorsitzende, wieder ein Post der zum Nachdenken anregt. as usual.

'Meine Oma war auch ein Fan' gefällt mir sehr gut...

Bitte mehr posten von dieser Qualität....

Die Große Vorsitzende hat gesagt…

War Deine Oma kein Fan? Hat sie nie diese Zeitschriften gelesen, in denen sentimentale Artikel über Adlige, Heimatfilm-Schauspieler usw. stehen, und dann über diese Leute geredet, als wären sie ihre Freunde und sie wüsste, was sie denken und fühlen?

Genau wie die Fans heute...