Dienstag, 5. Februar 2008

Böse Taliban und gute Mudschahedin?

Zur Zeit ihrer Herrschaft in Afghanistan verboten die Taliban den Anbau von Mohn für die Opiumerzeugung.

„Wie June's Intelligence Review am 22. Oktober 2001 bemerkte, eliminierte 'das vom obersten Talibanführer Mullah Mohammad Omar im Juli 2000 ausgesprochene Verbot ... mit einem Schlage gut 70 Prozent des weltweit illegal erzeugten Opiums' [...] selbst das amerikanische Außenministerium berichtete im März 2002, das von den Taliban ausgesprochene Verbot sei 'bemerkenswert erfolgreich' gewesen.“

Anscheinend erhofften sich die Taliban „durch das Verbot Legitimation und Anerkennung seitens der Vereinigten Staaten und anderer Länder“ - ohne Erfolg. Statt dessen unterstützte der Westen deren Gegner. Mit bemerkenswerten Folgen:


Als die Taliban 2001 aus einer Provinz nach der anderen vertrieben wurden, begannen überall hungernde Bauern wieder die einzige für sie lukrative Pflanze anzubauen, oft auf Geheiß örtlicher Kommandeure. Der Mohn kündigte die Rückkehr der Warlords an – regionaler Militärführer und Armeen, die sich auf ihrem Territorium über das Opium finanzieren und eifersüchtig darauf bedacht sind, eine so lukrative Einnahmequelle nicht an eine Zentralregierung abzutreten. So konnte es zu einer Wiederbelebung der mörderischen Fehden kommen, die nach dem Rückzug der Sowjets in den 90er Jahren so viele Zivilisten das Leben gekostet hatten.“


Kann es sein, dass der Grund, warum Afghanistan nicht zur Ruhe kommt, auch in den Konkurrenzkämpfen zwischen Drogen dealenden Warlords zu suchen ist?


Der derzeitige Präsident Afghanistans, Hamid Karzai, hat zwar am 17. Janur 2002 ebenfalls ein Verbot des Mohnanbaus erlassen, aber sein Einfluss reicht für eine Durchsetzung nicht aus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob seine Verhandlungen mit den Taliban noch unter einem anderen Aspekt gesehen werden können als dem, dass er mit Extremisten paktiert: Als Versuch, für sein Land eine Friedenslösung herzustellen.


Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass eine politische Koalition mit den Taliban dazu hätte beitragen können, das Land zu befrieden. Sie haben nun einmal – ob es westlichen Lobbyisten gefällt oder nicht – nicht wenig Einfluss in Afghanistan. Sie haben den Mohnanbau schon einmal verboten, und das auch durchgesetzt. Zudem unterhalten sie Kontakte in die Stammesgebiete in Pakistan, wo Opium verarbeitet wird, könnten also auch dort Einfluss ausüben. Wenn somit die Konkurrenzkämpfe von Warlords um Mohnanbaugebiete eine der Hauptquellen für den Unfrieden in Afghanistan wären, hätte eine Verhandlungslösung mit den Taliban durchaus eine Friedenslösung sein können. Es hätte eine Lösung sein können, die zumindest den aus Drogenanbau und -handel resultierenden Unfrieden reduziert.


Vielleicht. Wir werden es nicht erfahren, denn die Offensive gegen die Taliban ist bereits beschlossene Sache. Ebenso wie die Beteiligung deutscher Soldaten daran.


Was mich dabei beunruhigt: „Es gibt beunruhigende Hinweise darauf, dass [...] rechtsgerichtete Kreise mit Provokationen und Eskalationen bewusst versuchten, [...] fortwährende Bemühungen um die Wiederherstellung des Friedens und die Bildung einer Koalitionsregierung zu durchkreuzen.“ Die zu erwartenden Folgen kennen wir schon aus früheren Kriegen der USA: Die mit den USA verbündeten Mudschahedin erhalten die „Aufgabe, den Feind in Gefechte zu verwickeln und ihn dadurch den Angriffen der Luftwaffe auszusetzen.“ Darauf folgt „Zermürbung des Gegners durch massive Luftangriffe, statt des ernsthaften Versuchs, Territorien zu halten“. Dieses Strategiepaket ist bereits seit den Aktivitäten der USA in Laos 1968 Standard. Leider ist es stets mit einem hohen Maß an „collateral damage“ an Infrastruktur und Zivilbevölkerung verbunden. Und angesichts der schon vor diesem neuen Krieg nicht ausreichenden Mittel für einen Wiederaufbau ist das etwas, was Afghanistan ganz sicher nichts nützt.


Quelle der Zitate: Peter Dale Scott, Die Drogen, das Öl und der Krieg, S. 70-73 und 212-213

2 Kommentare:

Ray Gratzner hat gesagt…

Ein nachdenklich stimmender Post. Wie es scheint, lässt sich nicht alles in ein einfaches Schwarzweiss-Raster einordnen.

Schön wäre es, wenn das Land nach so vielen Jahren Krieg zur Ruhe kommen könnte.

Die Große Vorsitzende hat gesagt…

Den Nachrichten von heute zufolge wird das wohl nicht so bald der Fall sein. Die USA bestehen auf dem Einsatz - und machen mit der Behauptung, Deutschland würde "sich drücken" Druck.

Es ist abzusehen, dass eine Kanzlerin, die sich den Bushs schon während ihrer Zeit als Oppositionsführerin angedient hat, nach einer Pseudo-Schamfrist einknicken wird. Sie hat ja bei anderer Gelegenheit klar genug gemacht, dass sie sich ihre Politik nicht von "der Straße" (d.h. den Wählern) vorschreiben lassen will.