Mittwoch, 12. März 2008

Das Märchen vom Penisneid

Das Märchen vom Penisneid der Frauen ist eine Gutenachtgeschichte, die von Papa Freud – dem Erfinder der Psychoanalyse – geschaffen wurde. Es ist zwar schon über hundert Jahre alt, wird aber immer wieder gern erzählt. Die Geschichte geht ungefähr so:

Ein kleines Mädchen wird geboren, und ist in den ersten Jahren mit sich und seinem Körper völlig zufrieden. Dann, eines Tages, sieht es einen Penis (lassen wir mal die Frage beiseite, warum jemand einem kleinen Mädchen seinen Penis zeigt...). Fasziniert und überzeugt davon, dass man so etwas unbedingt brauche, geht das Mädchen zunächst davon aus, dass es auch einen Penis hat. Dann aber untersucht es seinen eigenen Körper – und stellt zu seinem Schrecken fest, dass ihm der Penis fehlt. Es ist sozusagen kastriert! Von Neid zerfressen strebt das Mädchen von da an mit allen Mitteln danach, auch einen Penis zu kriegen: Es versucht Papi (oder einen anderen Mann) zu verführen, um an dessen Penis heran zu kommen. Es versucht, sich als Junge durchzumogeln. Oder es wünscht sich einen Sohn, mit dem es sozusagen den Penis, den es nicht hat, hervor bringen kann.

So weit Papa Freud. Und all die, die dieses Märchen immer wieder aufbrezeln.

Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, das ich einen Penis gesehen habe. Das war der meines kleinen Bruders, und ich war alles andere als beeindruckt. Ich weiß noch, dass ich ihn mir ziemlich genau ansah, weil meine Eltern so ein Gewese darum machten (mein Bruder hatte eine Phimose). Aber ich fand nichts besonderes an diesem Hautröhrchen und wollte dergleichen auch nicht haben. Eben so wenig fühlte ich mich kastriert. Mein Körper gefiel mir auch weiter ganz gut, wie er war. Von Neid auf einen Penis also keine Spur.

Das heißt nicht, dass ich meinen Bruder nicht beneidete. Das tat ich. Aber dabei ging es nicht um seinen Penis. Es ging vielmehr um seinen Status, um die Vorteile, die er ganz selbstverständlich hatte, und das aus keinem anderen Grund als dem, dass er männlichen Geschlechts war. Ob es nun um Spielzeug ging, um Aufmerksamkeit, Freizeit zum Spielen oder Geld für ein Studium: Alles wurde in den den Sohn gesteckt. Der Junge stand immer an erster Stelle. Ich hätte schon eine Heilige sein müssen, um ihn um all das nicht zu beneiden.

Aber ich war schon als Kind nicht so blöd, zu glauben, dass ich mir nur einen Penis „besorgen“ müsste, und dann würde alles gut und ich sozusagen zu einem Jungen ehrenhalber werden. Frauen können keine Männer ehrenhalber werden. Auch wenn sie noch so viele Männer vögeln, sich als „Jungs mit Titten“ auszugeben versuchen oder Söhne gebären: In einer patriarchalischen Gesellschaft ist ihr Verhalten irrelevant. Es zählt einzig ein unveränderliches Merkmal: Das Geschlecht. Davon jedoch – d.h. vom Penis – ist vor allem ein Geschlecht fasziniert: Männer. Oder sind es etwa Frauen, die über Penislängen, -größen, -formen und dergleichen nachdenken, spekulieren, konkurrieren? Die auf der Toilette ihren mit dem des Nebenmannes vergleichen? Und sich wegen des Ergebnisses etwas einbilden oder Komplexe bekommen? Eben. Wer leidet also unter Penisneid? Genau.

Papa Freud hat in seiner Gutenachtgeschichte von Penisneid der Frauen gewissermaßen seine eigenen Gefühle auf Frauen projiziert. Wahrscheinlich hat er sich vorgestellt, wie er sich als kleines Mädchen fühlen würde. Nur hat er sich das aus der Perspektive eines Mannes mit Penisneid und Kastrationsängsten vorzustellen versucht. Kein Wunder, dass er zu dem Ergebnis gekommen ist, Frauen fühlten sich als Frauen kastriert und wünschten sich einen Penis.

Fast noch schlimmer finde ich jedoch, was er als „Folge“ bzw. „Lösung“ dieses projizierten Penisneides darstellt. Dass kleine Mädchen sich Sex mit ihren Vätern und Surrogat-Penisse in Form von Söhnen wünschen sollen, entspricht wohl eher männlichen Wunschvorstellungen als den tatsächlichen Wünschen von Kindern. Hier werden einerseits sexuelle Wunschvorstellungen erwachsener Männer in Mädchen hinein projiziert. Andererseits wird die Tatsache, dass einem Sohn in einer patriarchalischen Gesellschaft ein höherer Wert zugesprochen wird als einer Tochter, in ein angebliches psychologisches Bedürfnis von Frauen um gedeutet. Wirklich schlau.

Dass es mit irgend einem Bestandteil dieses Grusel-Märchens tatsächlich um die Gefühle, Wünsche und (Entwicklungs-) Möglichkeiten von Mädchen geht, würde ich allerdings bezweifeln.

Montag, 10. März 2008

Kasperle-Theater in Hessen

Wunderlich, was der Mensch alles schlucken kann! Wohl zehn Minuten las ich in einer Zeitung, ließ durch das Auge den Geist eines verantwortungslosen Menschen in mich hinein, der die Worte anderer im Munde breit kaut und sie eingespeichelt, aber unverdaut wieder von sich gibt.


Nämlich hier. Ich würde das ja als neuen Tiefpunkt des Internet-Journalismus bezeichnen... wenn ich davon ausgehen könnte, dass diese Art, einen „professionellen“ Artikel zu verfassen, tatsächlich schon das Ende der Fahnenstange ist.


Nicht nur wunderlich, sondern geradezu unglaublich finde ich jedoch den Umstand, dass in Hessen immer noch Koalitions-Verhandlungen geführt werden. Was ist mit diesen Leuten los? So viele Optionen gab und gibt es doch nicht, oder? Wie kann man allen Ernstes Wochen darauf verplempern, eine zum Teil aus ehemalige SPD-Politikern bestehende Partei in einen Topf mit Kommunisten zu werfen oder die Profilneurose einer selbst erklärten „Bedenkenträgerin“ zu diskutieren? Oder darüber zu spekulieren, ob Roland Koch für eine Schwarz-Geld-Grüne Koalition seine Kandidatur um das Ministerpräsidentenamt aufgeben würde oder nicht? Wenn Roland Koch tatsächlich bereit wäre, auf eine Kandidatur zu verzichten, hätte er das in den letzten Wochen jederzeit tun können. Statt dessen hat er seine Standard-Strategie, sobald er einen (oft von ihm selbst in Gang gesetzten) Sturm im Wasserglas nicht mehr braucht, verfolgt: Schweigend alles aussitzen. Und der Erfolg gibt ihm auch diesmal recht: Seine Konkurentin um die Position des Ministerpräsidenten hat die Nerven verloren und alles hin geworfen. Ihre Wähler werden es ihr danken.



Ich finde, dass man schon allein für die Zeit und das Geld, das mit diesem Kasperle-Theater verschwendet worden ist, Neuwahlen angesetzt werden müssten. Offensichtlich hat sich ja keine der großen Parteien bzw. keiner ihrer Vertreter als verhandlungs-, geschweige denn kompromissfähig genug für eine Lösung erwiesen. Das sollte honoriert und die Entscheidung an diejenigen zurück gegeben werden, die hier laut Grundgesetz das Sagen haben: Die Wähler.


Das Zitat stammt übrigens von Hermann Hesse.