Mittwoch, 20. April 2011

Easter egg before Easter

"As it is", live von der Pat Metheny Group

Dienstag, 19. April 2011

"Du trotzt!"

behauptet meine neue Kollegin, nachdem sie in den Raum gerauscht ist und sofort zu reden angefangen hat, ohne sich darum zu kümmern, ob ich ihr zuhöre, und ich nicht gleich den Bleistift habe fallen lassen, um mich um sie zu kümmern.
"Du hast was gegen mich persönlich", fährt sie fort. "Ich merk' das schon seit Freitag. Du redest nicht mehr mit mir. Du hörst mir nicht mehr zu. Die ganze Zeit hegst Du so einen untergründigen Groll...".

Gerade zwei Wochen da und schon der erste hysterische Anfall.
Ich komme mir vor wie die Männerrolle in einem 70er-Jahre-Sketch. 

Nein, ihr zurück zu spiegeln, dass sie in "Du-Botschaften" mit mir spricht, erweist sich nicht als hilfreich. "Wir sind ja schließlich nicht im Dienst, sondern Kollegen", antwortet sie, als würde das irgend etwas aussagen. Außer, dass Kollegen aus ihrer Sicht anscheinend keinen Anspruch auf konstruktive Kommunikationsformen haben. Ich betrachte das als Aussage auf der Beziehungsseite.



Die Appellebene ihres Verhaltens ist auch nicht schwer zu verstehen: Ich soll ihr gefälligst zuhören. Sofort. Jederzeit. Sonst... Und damit kommen wir wohl zu der Selbstkundgabe: Ärger, verletzte Eitelkeit, das Gefühl, nicht wichtig genug genommen zu werden; alles ausgedrückt in den "Du-Botschaften", die sie mir an den Kopf wirft.

Freitag hat sie sich darüber aufgeregt, dass ihre Uni-Professorin ihr, im Gegensatz zu ihrem männlichen Kollegen, keine Postdoc-Angebote hat zukommen lassen. Sie konnte gar nicht verstehen, warum.

Sonntag, 17. April 2011

Enttäuschend: Helliconia von Brian Aldiss

Dabei hatte ich mir anhand der Beschreibung so viel davon versprochen. "... beschreibt eine Welt [...] mit jahrhundertelangen Jahreszeiten. Hauptthema ist der Aufstieg und Fall von Zivilisationen im Verlauf dieser Klimazeiten; es gibt Hinweise auf ein zyklisches Wiederkehren der immer gleichartigen Kulturkreise. Dieses Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem da es einen neuen Maßstab in der Erfindung einer phantastischen Welt darstellt." heißt es in Wikipedia. Klingt doch spannend, oder? Aber hier lernen wir mal wieder: Was in Wikipedia steht, ist kein Maßstab.

Zunächst einmal: Das Buch legt ein eher gemütliches Tempo vor. Wer nicht gerade ein Fan von Autoren wie Adalbert Stifter ist, wird die zum Teil ausufernden Beschreibungen mehr ermüdend als spannend finden. Aber da in dem Buch "Politik, geografische, soziale, biologische und kulturelle Begebenheiten [...] bis ins kleinste Detail glaubwürdig dem Leser näher gebracht" (aus einer Rezension auf Amazon) werden sollten, hätte ich mich bis zu einem gewissen Grad damit abgefunden.

Womit ich mich nicht abfinden konnte, war die teils ans viktorianische Zeitalter, teils an die 50er Jahre erinnernde Sicht des Autors auf geschichtliche und gesellschaftliche Prozesse. 

Auf Helliconia ist die Entwicklung von Zivilisation und Kultur männlich dominiert. Männer sind auf allen Entwicklungsstufen die Haupternährer. Männer sind durchgängig die "natürlichen" Herrscher von Gemeinschaften, egal, wie dumm und selbstbezogen sie sind. Sämtliche wesentlichen Errungenschaften werden von Männern gemacht. Und wenn eine Frau mal ihre Rolle im männlichen Plan vergisst, die Suche nach Wissen höher bewertet als einen Platz an der Seite des Anführers oder gar Anstalten macht, Wissen zu Allgemeingut zu machen, taucht - Überraschung! - ein Mann mit einem Buch voller "Geheimwissen" auf, das "natürlich" alles, was Frauen wissen, in den Schatten stellt. Muss ich noch erwähnen, dass auf Helliconia wissebegierige Frauen ihr gutes Aussehen einbüßen und schließlich als "hagere Gestalten" ein einsames Leben führen?

Als wäre dieser Sexismus noch nicht genug, werden dem Leser mit den Phagor "natürliche" Feinde der menschlichen Rasse auf Helliconia präsentiert. Worauf diese Feindschaft beruht (z.B. Konkurrenz um dieselben Nahrungsressourcen?), wird nicht erklärt. Es wird lediglich beschrieben, dass die Phagor Menschen bekriegen, rauben und versklaven. Sie sind - wie die Russen im Kalten Krieg - einfach "der Feind". Sich mit ihnen und ihren Motiven auseinander zu setzen, mit ihnen zu verhandeln, einen Kompromiss zu finden etc. scheint nicht in Betracht zu kommen. Vielleicht, weil es sich um eine andere Rasse handelt?

Mein Fazit:
Schade um die an sich interessante Idee, in einem Roman den Einfluss eines Umweltfaktors (Dauer der Jahreszeit) auf die Entwicklung von Kultur und Zivilisation zu untersuchen.  Ich würde mir dafür jedoch einen Autor oder eine Autorin wünschen, der/die weniger von einem "white man's burden"-Tunnelblick geprägt ist.

Freitag, 15. April 2011

Geld ist nicht so wichtig

 

Meine neue Kollegin kommt frisch von der Uni. Die Arbeit mit anderen Berufsgruppen ist ihr zwar nicht neu, aber wenn sie ihre Fachkompetenz nicht ausreichend gewürdigt sieht, tendiert sie trotzdem dazu, sich ungerecht behandelt zu fühlen. "Wieso ist uns der vor die Nase gesetzt worden, wenn er von unserer Arbeit nichts verseht?" fragt sie. Oder wundert sich: "Warum denken die, obwohl sie nicht die nötige Ausbildung haben, sie könnten uns in unsere Arbeit rein reden?" Manchmal ergänzt sie noch: "Ich weiß ja nicht, wie lange ich das hier mitmache. Schließlich gibt es genug Jobs...".
Meine neue Kollegin ist ehrgeizig. Sie möchte es weit bringen. Eine Leitungsposition wäre toll, vielleicht in der Erwachsenenbildung. Aber da der Aufwand, ein Fortbildungsinstitut aufzubauen, ja recht hoch ist: Wie wäre es, wenn sie unsere Teamleiterin werden würde? Vorsorglich stellt sie schon mal fest, dass eine der Sekretärinnen und ich "ja für sie stimmen" würden. Die Idee, dass wir eine Gegenleistung verlangen könnten, kommt ihr nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass eine Teamleiterposition kein Parteiamt ist...
Meine neue Kollegin beschreibt sich selbst als hedonistische Person. Am liebsten wären ihr ein 9 to 5 Job*, freie Wochenenden, keine Einschränkung ihrer Freizeitaktivitäten. "Geld ist nicht so wichtig", sagt sie. "Mein Mann und ich sind Familienmenschen. Außerdem wollen wir mal Kinder haben." Sie betreibt während der Arbeitszeit ausgiebig Networking und wenn ich mich dafür nicht zugänglich zeige, stromert sie durch die anderen Büros. Unterdessen bleibt die ihr zugeteilte Arbeit liegen. Das hindert sie nicht, in der Zeit zwischen meinem Feierabend und ihrem den Versuch zu unternehmen, auch meine Aufgaben an sich zu ziehen. Und sich zu wundern, dass unsere Chefin davon nicht begeistert ist.
Ich kann's kaum erwarten, ihr zuzusehen, wenn bei uns die Arbeit in die heiße Phase geht. 

Mittwoch, 13. April 2011

Wer trotz allem brav sein will


Später heißt es dann: "Leg' doch mal das Buch weg."

Merke: Auch mit Bravsein kann man es nicht Allen recht machen...

Ein cooler Post

von einem Blog den ich gerne lese: Depression ist die Belohnung der Braven. Auch der Rat ist gut. Wider das Bravsein!

Montag, 11. April 2011

Adipositas ist keine Ess-Störung


 Am Wochenende war ich bei einer Fortbildung zum Thema Ess-Störungen. "Toll", dachte ich mir am Freitag, "da wirst Du eine Menge interessanter Dinge lernen. Das wird Dir in Deinem Berufsalltag sicher helfen." Ich stellte mir so etwas vor wie einen kurzen Vortrag zu den verschiedenen Ess-Störungsbildern, gefolgt von Übungsblöcken, in denen wir Behandlungstechniken erproben würden. Ich machte mich frohen Mutes zum Schulungsort auf, bereit, die Hälfte meines Wochenendes zu opfern...

Und wurde mit einer siebenstündigen Präsentation zum Thema Magersucht "beglückt". Praxisrelevanz? Nun ja, es gab ein paar Sätze zur Therapie von Bulimie, die, wie die Vortragende versicherte, auch auf die Behandlung schwer Übergewichtiger anwendbar seien. Vorausgesetzt, sie hätten eine Ess-Störung. 

"Was soll das heißen?" fragte ich. "Ist Adipositas denn keine Ess-Störung?" 
"Nein," versicherte sie mir. "Bei Adipositas gibt es einen so starken genetischen Faktor und sie wird vor allem durch übermäßige Nahrungszufuhr verursacht. Wenn die Betroffenen nicht gerade unter Binge Eating leiden...". 
Auf deutsch: Stark Übergewichtige sind stark übergewichtig, weil auch ihre Blutsverwandten stark übergewichtig sind. Außerdem essen sie zu viel. So lange sie das gleichmäßig machen und nicht anfallsweise, sind sie ein Fall für den Doktor. Der verschreibt ihnen Lipidsenker, eine Magenverkleinerung oder einen Besuch beim Schönheitschirurgen. Wenn sie telegen sind, können sie außerdem einen Auftritt in einer Abnehm-Reality Show gewinnen. Aber eine Psychotherapie ist nicht drin.

Cool.
Wenn einige wenige Mittelstandskinder sich zu Tode hungern wollen, kriegen sie vom Steuerzahler zusätzlich zu einer umfassenden medizinischen Behandlung auch einen Psychotherapeuten spendiert. Wenn viele weniger Privilegierte von Stress, Billigfraß und weil sie nach einem harten Arbeitstag kaum mehr die Energie (und oft auch nicht die Mittel) haben, sich noch etwas anderes Gutes zu tun, als zu essen, Übergewicht bekommen, setzt es vor allem Medikamente und Moralpredigten. Der Psycho darf's dann richten, wenn Arbeitsunfähigkeit droht...

Freitag, 8. April 2011

Früher war alles besser



Kommt es nur mir so vor oder dauert die Kindheit tatsächlich immer länger? Es ist noch gar nicht so lange her, dass 16jährige mit Realschulabschluss eine Lehre anfingen und damit ganz selbstverständlich ihr Erwachsenenleben begann. Mit dem selbst verdienten Geld eroberten sie sich zunehmend mehr Unabhängigkeit von der Bevormundung durch die Eltern: Ein eigenes Moped oder Auto wurde angeschafft; es wurden Dinge gekauft, ohne Mama oder Papa zu fragen und damit, um 10 Uhr zu Hause oder gar im Bett zu sein, war auch Schluss. Von da an war der Weg zu einer eigenen Wohnung und einem selbstverantwortlichen Leben nicht mehr weit. Und die meisten - so schien es mir zumindest damals - konnten es kaum erwarten.

Letzte Woche erzählte mir Jemand von seinem Bruder, der mit mittlerweile Anfang 20 immer noch mit seiner Berufs- und Identitätsfindung beschäftigt ist. Seit seinem Realschulabschluss sind mittlerweile 6 Jahre sowie mehrere Weiterbildungen und Praktika vergangen. Den "richtigen" Beruf hat er dabei nicht gefunden, bis jetzt weiß er lediglich, was er nicht will. In der Zwischenzeit läuft die Uhr weiter und seine Familie fängt an, sich Sorgen über seine Zukunft zu machen. Er selbst sieht das Ganze eher gelassen. Als nächstes will er "was Handwerkliches probieren". Aber nicht gleich. Im Moment ist er verliebt und das nimmt seine ganze Energie in Anspruch. Für alles übrige sorgen ja Mama und Papa...

Mit dieser kindlichen Haltung ist er kein Einzelfall. Mir kommen auch Studienabsolventen Ende 20/Anfang 30 harmonie- und sicherheitsbedürftiger vor als noch vor einigen Jahren. Statt sich zielsicher - wie man es von künftigen "Leistungsträgern" erwartet - an Karriere und Geldverdienen zu machen, widmen Viele sich vor allem der Bildung von Kuschelgruppen. Erst wenn man eine "Glücksgruppe" habe, heißt es, könne man sich wohl fühlen. Nur dort könne man sich öffnen, sich zeigen wie man wirklich sei. Bezüglich aller übrigen Menschen klagt man zwar gern über einen Mangel an Offenheit und Kooperationsbereitschaft, aber eine eigene Verantwortung sieht man dabei nicht. Das Problem liege "selbstverständlich" bei den Anderen, ebenso wenig wie die Lösung. Die müssten erst einmal in Vorleistung gehen, sozusagen beweisen, dass sie würdig seien...  
Mir kommt das alles ziemlich albern vor.


Und eigentlich ohne es zu wollen ertappe ich mit bei dem Gedanken, einem Gedanken, von dem ich nie glaubte, dass ich ihn haben würde, den ich nicht haben will, den ich auch nicht richtig finde, aber: Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass früher alles besser war.

Dienstag, 5. April 2011

Es ist Dienstag

und ich habe mal wieder Gelegenheit, mich zu wundern.

Während unsere Medien sich wegen der Kandidatur von Herrn Rösler für den Parteivorsitz der FDP derart mit Berichten und Kommentaren überschlagen, dass sich mir die Erinnerung an unseren ehemaligen Verteidigungsminister aufdrängt, scheinen die Recherchen zu anderen Fragen eher oberflächlich auszufallen. Zum Beispiel die zur Frage der Auswirkungen der vorübergehenden Laufzeitverlängerungs-Aussetzung der deutschen AKWs. Frage nur ich mich, wie das mit dem Umstand zusammen passt, dass wir in Deutschland Strom verkaufen, also eigentlich mehr davon produzieren, als wir selbst verbrauchen?

Aber die Hype um Herrn Rösler hat auch Charme. Vor allem, wenn man sich erinnert, womit sich dieser nette Jung-Politiker bislang profiliert hat: 


Das lässt ja für die Zukunft hoffen...

Eher nebenher fand sich gestern noch ein Artikel, der weit mehr über die politische Richtung unserer Regierung aussagt als alle "Atom-Moratorien": Es wurde wieder einmal die steuerliche Belastung von Unternehmen gesenkt. Alles selbstredend mit den besten Absichten, nämlich die "Leistungsträger" in unserer Gesellschaft zu fördern, während gleichzeitig an den "leistungslosen Einkommen" wie Hartz IV kräftig gespart wird. Leistung soll sich schließlich wieder lohnen.

Wohin uns diese Politik bis jetzt schon geführt hat, beschreibt der Politiker und Sozialexperte Daniel Kreutz in Armut und Reichtung in Deutschland und Nordrhein-Westfalen, einem Referat, auf das mich die NachDenkSeiten aufmerksam gemacht haben. Danke!